Samstag, 27. Oktober 2012

Wie verbessere ich meine Ausdrucksfähigkeit und was hat Thomas Mann damit zu tun?

Einer der einflussreichsten Strafrechtler, Prof. Dr. Dr. hc. mult. Claus Roxin, empfahl anlässlich einer Einladung zu einer Gesprächsrunde mit Stipendiaten der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, täglich in etwa 20 Seiten Thomas Mann zu lesen; nach einer phonetischen Zusammenfassung werde man geschwind erkennen, wie die eigene Sprach- und Ausdrucksfähigkeit zunehme.

Dem ist beizupflichten. Paul Thomas Mann (06. Juni 1875 - 12. August 1955) erhielt für seinen Roman Buddenbrocks im Jahre 1929 den Nobelpreis für Literatur. Die Syntax versteht sich in seinen Werken nicht nur als Satzlehre deren Einhaltung als Pflichtprogramm gegeben ist. Rhythmus und verschachtelte Erzählweise machen sein anspruchsvoll schriftstellerisches Wirken aus.
Das literarische Erbe Manns ist umfangreich. Eine Auswahl der zahlreichen Romane und Novellen vorzunehmen ist für den Anfang nicht gerade leicht.
Ob man gleich mit einem Brocken wie Buddenbrocks (768 Seiten) oder Der Zauberberg (1008 Seiten) anfangen soll, sei dahingestellt.

Mit 139 Seiten stellt die Novelle Der Tod in Venedig mit Sicherheit keinen schlechten Einstieg dar.
1913 entstand die homoerotische Novelle um den Schriftsteller Gustav Aschenbach und bildet einen Höhepunkt der sogenannten Décadence-Phase.

Wer sich detailliert mit der Sprache auseinandersetzt, erkennt bereits beim ersten Satz mit Nennung des Namens, das Leitmotiv des Todes. Aschenbach oder von Aschenbach verknüpft eine Wortschöpfung aus "Asche in einem Bach" und kann als Motiv einer Kremation empfunden werden. Der Tod zeigt sich also bereits beim Namen des Protagonisten.
Wer sich mit der griechischen Mythologie nicht auskennt, wird die Motive für den Tod oftmals nicht erkennen.
So erinnert der Gondolier im dritten Kapitel an den Charon. Nach Vorstellung in der griechischen Antike fuhr der Charon, ein Fährmann, die Toten für einen Obolus (Münze) ins Totenreich des Gottes Hades. Das Reich des Hades sollte für Aschenbach, der Lido in Venedig sein.
Wer mit dem Gott Hermes nichts assoziiert, der sollte dies schleunigst nachholen.
In der Schlussszene drängt sich dieser Vergleich mit dem Knaben Tadzio auf.

Demzufolge lehrt man sich neben der Ausdrucksfähigkeit gleichfalls andere Sachen an. Das Erkennen und Suchen solcher Bezüge stellt ein geistiges Training par excellence dar.
Wer sich aus eigenem Ansporn, besser: Interesse, zur Lektüre bringt, verschafft sich im Ergebnis ein Privileg und setzt sich mit der gefürchteten Allgemeinbildung auseinander.


Euer
"J"

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